> Notfalltrainings in der Pandemie?

Kein Widerspruch! Mit einem passenden Hygienekonzept sind medizinische Fortbildungen aktuell möglich! Sprechen sie uns an!

In der vergangenen Woche, konnten wir eine coronakonforme Fortbildung im Bereich BLS/ALS und PALS in der Kinderarztpraxis Krier-Scheid in Wittlich durchführen.  Oder mit einfachen Worten, Laien- und Profireanimation an Erwachsenen und Kindern. Ein weiterer Themenbereich waren alternative Zugangs- und Atemwege wie intraossäre Zugänge bis hin zur Atemwegshilfe und endotrachealen Intubation. Von der Theorie zum Praxistraining.

Fotos: EmergEASY

> AED Aktion – Komplett Set inkl. Notfallrucksack

Bei einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand zählt jede Sekunde. Neben der Herz-Lungen Wiederbelebung, ist der frühzeitige Einsatz eines Defibrillators, nach aktuellem Stand der Medizin, unabdingbar. Die Herz-Lungen Wiederbelebung ersetzt die ausgefallene Funktion des Herzschlags, wogegen der Einsatz eines AEDs und die ggf. abgegebene Defibrillation, die gestörte Reizweiterleitung am Herzen behebt. Beide Maßnahmen stellen die Grundbasis und die zwei wichtigsten Faktoren einer Herz-Lungen Wiederbelebung dar.

Bei unserer AED Aktion erhalten Sie neben einem hochwertigen AED, einen gefüllten Notfallrucksack gratis dazu. Für eine Stationierung des AED an belebten Orten wie z. B. Sportanlagen, Gemeindehallen, Dorfplätzen, aber auch in Büros, in Betrieben oder Werksanlagen etc. bieten wir auch spezielle (Außen-)Wandschränke an.

Wir beraten Sie gerne!

> Algorithmus für Reanimation

Gerade in stressigen Situationen, in denen es zudem noch um Menschenleben geht, ist es umso wichtiger nach klaren Strukturen zu arbeiten.
Reanimationsalgorithmen sind ein großer Bestandteil in der präklinischen als auch klinischen Cardio-Pulmonalen-Reanimation (CPR).
Nur durch ständige Fort- und Weiterbildungen im „Advanced Life Support“ (ALS) und „Pediatric Advanced Life Support“ (PALS) weiß jedes Teammitglied auch im Ernstfall welche Aufgaben es zu erfüllen hat.

Um den Ablauf noch einmal zu verdeutlichen haben wir von EmergEASY den Algorithmus noch einmal kurz und knapp für unsere Kunden grafisch dargestellt.

Algorithmus

> Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!

Pädiatrische Notfalltrainings EmergESAY

 

Ein pädiatrischer Notfall ist nicht mit einer Notfallsituationen eines Erwachsenen zu vergleichen. Kinder reagieren in Notsituationen oft anders als „die Großen“. Hinzu kommt, dass pädiatrische Notfallbilder nicht alltäglich sind und „die Retter“ unter einer viel größerer Anspannung stehen.

Auch für die Teams von Kinderarztpraxen sind diese Extremsituationen keine Routine, daher nutzen viele Praxen die Möglichkeit ein pädiatrisches Notfalltraining zu besuchen um sich auf diesen Extremfall vorzubereiten.
Kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne.

 

 

 

> Die Reanimationsleitlinien 2015 – was ist neu?

Im Oktober wurden die neuen Reanimationsleitlinien 2015 des European Resuscitation Council (ERC) veröffentlicht.

Evolution statt Revolution

Was hat sich also verändert?
Die kurze Antwort: Nichts dramatisches. Vielmehr wurden die 2010er Richtlinien um einige neue Erkenntnisse ergänzt und generell steht die Laien-Reanimation im Fokus der Aktualisierung. Eine besondere Erwähnung findet die Telefonreanimation, bei der Leitstellendisponenten Laien in der kardiopulmonalen Reanimation nach dem Notruf anleiten. Zudem gibt es eine neue Sektion zum Thema Ethik.

Einige Neuerungen gibt es aber doch: Bei den „besonderen Umständen” wurden erstmals Empfehlungen zu traumatischem Kreislaufstillstand (inkl. der Empfehlung für die Notfall-Thorakotomie) herausgegeben, es gibt auch neue Algorithmen zu Hyperkaliämie und  zum Lawinenunfall.

Ein erster Überblick über die Änderungen:

Basic Life Support:

  • Besonderer Fokus auf Laien-Reanimation und telefonische Anleitung zur CPR für Ersthelfer
  • AED werden als fester Bestandteil der Laienreanimation weiter in den Vordergrund gestellt
  • Kompressionen bleiben bei 30:2

Advanced Life Support:

  • Auch hier bleibt es beim 30:2
  • Die Empfehlungen zur Medikamentenapplikation bleiben unverändert
  • Die Pausen während der Herzdruckmassage sollen noch stärker minimiert werden – maximal 5 Sekunden für Defibrillation (und Intubation)
  • Intubation soll nur von Personal mit regelmäßiger Schulung und Erfahrung durchgeführt werden, als Alternative supraglottische Atemwegshilfen (z.b. Larynxtubus/-maske)
  • Im worst case sollte eine chirurgische Notfall-Koniotomie durchgeführt werden
  • Eine kontinuierliche Kapnographie wird empfohlen – für Verifikation der Intubation und Kreislaufmonitoring, und dem schnellen Entdecken eines ROSC
  • Eine gezielte Sonographie zum erkennen reversibler Ursachen wird erstmals empfohlen

Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen

  • Hier gibt es eine neue Struktur nach den 4Hs und 4Ts (Hypoxie, Hypovolämie, Hypothermie, Hypo/Hyperkaliämie (Elyte); Trauma, Toxine, Thrombembolie, Tension (Spannungspneu)
  • Hypothermie: Externes Erwärmen (bzw. via warmen Infusionen) ist bei kreislaufstabilen Patienten bis 28°C möglich
  • Es gibt einen neuen Algorithmus für Elektrolytentgleisungen, speziell für Hyperkaliämie
  • Es gibt einen neuen Algorithmus für den traumatischen Kreislaufstillstand: Hier wird klar gelegt, dass bei Hypovolämie, Perikardtamponade und Spannungs-pneumothorax die externe Herzdruckmassage unwahrscheinlich hilfreich sind
  • Ebenso gibt es einen neuen Algorithmus für Lawinenopfer

Post-Reanimationstherapie:

  • Die Priorität für eine Herzkatheteruntersuchung nach ROSC bei Verdacht auf eine kardiale Ursache für den Kreislaufstillstand wird stärker betont
  • Die Induzierte Hypothermie wird in einem breiten Rahmen von 32-36°C empfohlen. Im Vordergrund steht dabei jedoch die Vermeidung von Fieber

Akutes Koronarsyndom:

  • Die Gabe von Clopidogrel/Ticagrelor/Prasugrel beim STEMI kann präklinisch, aber auch in der Notaufnahme erfolgen. Eine klare Empfehlung gibt es hier nicht

Die neuen Leitlinien sind bereits in unser Kurskonzept integriert. Wir freuen uns auf Ihr Notfalltraining nach den aktuellen Leitlinien des ERC.

 

Andreas Follmann

Ärztlicher Leiter EmergEASY

> Wie im wahren Leben

 

EmergEASY007reaHerr Paul N., 39 Jahre, ist ein vielbeschäftigter Mann. Er liebt seinen Job, liebt seine Familie. Herr N. weiß, dass er mit dem Rauchen aufhören muss. Doch in den letzten Tagen leidet er häufiger unter Atemnot. Deshalb hat er einen Termin bei seinem Allgemeinmediziner. Doch plötzlich entgleist im Wartezimmer sein Herzrhythmus, sein Kreislauf steht still.

Sicherlich haben Sie auch viele Patienten wie Herr N. Doch was geschieht in Ihrer Praxis, wenn ein solcher Notfall eintritt? Ist Ihr Personal darauf vorbereitet? Ist Ihre Notfallausstattung auf dem neuesten Stand? Sind die Abläufe allen bekannt, so dass es zu keinerlei Verzögerungen kommt?

Eine Situation, die hoffentlich nicht zu Ihrem Alltag gehört. Daher bieten wir Ihnen gezielte Trainings mit Ihrem gesamten Praxisteam in Ihren eigenen Räumen an. Denn nichts ist so sinnvoll, wie eine Simulation in der eigenen Praxis mit dem eigenen Material und Personal. Lassen Sie sich hierzu gerne von uns beraten.

Sie sind Profi, für Ihre Patienten in jeder Situation – Notfalltrainings für Profis.

 

> Die präklinische Gabe von Sauerstoff beim Akuten Koronarsyndrom (ACS)

 

Der nachfolgende Artikel stammt aus folgender Quelle: www.rettungsdienst-updates.de

 

Das Für und Wider um die generelle präklinische Gabe von Sauerstoff ist eine der interessantesten momentan stattfindenden Diskussionen. Um der Breite der Thematik einigermaßen gerecht zu werden, wurde der Artikel in zwei Abschnitte geteilt. Im ersten Teil wird die Diskussion um die Sauerstoffgabe bei der präklinischen Behandlung des Myokardinfarkts behandelt, während sich der zweite Teil mit der Sauerstoffgabe beim Apoplektischen Insult beschäftigt.

In den Leitlinien des ERC (European Resuscitation Council) zur Reanimation 2010 wurde die Sauerstoffgabe beim Akuten Koronarsyndrom (ACS) nicht mehr uneingeschränkt empfohlen. Stattdessen wird nun ausgesagt: “Sauerstoff soll nur Patienten mit Hypoxämie, Atemnot oder Lungenstauung verabreicht werden. […] Der Zielwert der SaO2 soll 94–98% sein bzw. 88–92%, wenn das Risiko der Atemdepression mit CO2-Retention besteht” (z.B. Asthma, COPD [Anm. d. Red.]).[1]

 

Diese Aussage hat zu einer großen Unsicherheit beim Personal bezüglich der Gabe von Sauerstoff geführt. In der Ausbildung des nicht-ärztlichen Rettungsfachpersonals wird viel Wert auf die Versorgung des ACS gelegt, einer oftmals lebensgefährlichen Ischämie des Herzmuskels aufgrund einer Veränderung der Koronargefäße. Zumeist wurde dabei empfohlen, Sauerstoff generell in unterschiedlich hohen Dosierungen zu verabreichen. In der Präklinik ist die Verabreichung von Sauerstoff beim Myokardinfarkt weit verbreitet. Die Ansicht, dass Sauerstoffgabe dem Patienten hier nur Nutzen und keinen Schaden bringen kann, hat oft den Status eines Dogmas.

Für den Nutzen der routinemäßigen Applikation von Sauerstoff beim akuten Myokardinfarkt fehlen im Moment aber eindeutige Beweise. Eine Übersättigung des Blutes steht sogar im Verdacht, dem Patienten zu schaden. Auswertungen der bisherigen Studienlage zeigten eine Häufung von Todesfällen bei Patienten, die Sauerstoff verabreicht bekamen, verglichen mit Kontrollgruppen die Raumluft erhielten.

Dies wird unter anderem durch die Wirkung von Sauerstoff vermutet, Gefäße zu verengen und dadurch die Durchblutung und Sauerstoffversorgung im Ischämiegebiet weiter zu reduzieren. Weiterhin werden durch ein Überangebot von Sauerstoff im Blut pathologische Effekte auf das Lungengewebe und das vermehrte Auftreten von schädlichen freien Sauerstoffradikalen diskutiert.

Studien zeigten allerdings auch, dass bei Patienten mit einem Myokardinfarkt oft Hypoxämiephasen auftreten, also Phasen in denen das Blut mit Sauerstoff unterversorgt ist und der Patient dringend Sauerstoff benötigt. Diese Phasen können mittels Pulsoxymetrie zumeist auch präklinisch sicher erkannt werden.

Neuere Studien, die auch moderne Reperfusionsverfahren mit berücksichtigen, könnten allerdings auch gegensätzliche Ergebnisse liefern. Derzeit werden mehrere Studien durchgeführt, deren vorläufige Ergebnisse keine Unterschiede in der Mortalitätsrate und statistisch nicht-signifikante Verbesserungen von Infarktmarkern und Infarktgröße bei genereller Sauerstoffgabe zeigten[2][3]. Damit decken sie sich mit Ergebnissen einer weiteren, neueren Studie[4][5], der allerdings wegen diverser Einschränkungen im Studiendesign insgesamt eine geringe Aussagekraft zugesprochen wird.

Die aktuellen Empfehlungen sagen aus, dass die Gabe von Sauerstoff bei unkomplizierten Infarktgeschehen und Patienten mit guter Sauerstoffsättigung wegen der potenziellen Schäden einer Hyperoxämie unterlassen werden sollte. Dabei muss allerdings eine kontinuierliche Überwachung mittels Pulsoxymetrie gewährleistet sein.

Eine abschließende Bewertung der Thematik steht aufgrund der geringen Studien- und Patientenzahl noch aus. Mehrere größer angelegte Studien zu diesem Thema sind derzeit in Arbeit. 

Eine umfassende Darstellung des Themas, der ERC Guidelines und Ansätze für weitere Recherche in dieser Thematik finden sich im vollständigen Artikel.

 

 

Einleitung:

Sauerstoff galt in den vergangenen Jahren als das “Medikament” des Rettungsassistenten. Die einfache Handhabung, die nebenwirkungsarme Verabreichung und der angenommene unvierselle Nutzen für den Patienten durch die Verabreichung führten zum Glauben an eine Art Allzweckwaffe für die Notfallmedizin, die auch von nicht-ärztlichen Personal sicher eingesetzt werden konnte.

Von der Wirkung her schien die Sauerstoffgabe beim Myokardinfarkt auch unstrittig indiziert. Im Verlauf geht Gewebe aufgrund eines akuten Sauerstoffmangels unter. Durch die Übersättigung des Blutes sollten schlecht durchblutete Bereiche besser mit Sauerstoff versorgt werden und so das Gewebe vor Untergang geschützt werden.
Über die möglichen schädlichen Nebenwirkungen der Sauerstoffgabe war dagegen außerhalb von Fachpublikationen wenig zu lesen. Die Empfehlung zur generellen Gabe von Sauerstoff ist in der gängigen Ausbildungsliteratur durchgängig zu finden und hat sich in einfach Merkregeln wie der “MONA Regel” beim Personal eingeprägt.

Die Diskussion um den Nutzen und die Risiken einer Behandlung des akuten Myokardinfarkts mit Sauerstoff kann bis zum Jahr 1900 zurückverfolgt werden, als zum ersten mal beschrieben wurde, wie mittels Sauerstoffgabe schwere Angina Pectoris Anfälle aufgehoben wurden.[6]

Bis zum heutigen Tag ist die Studienlage dabei recht unübersichtlich. Die Anzahl der Studien, die Sauerstoffgabe untersuchen ist zwar recht hoch, die tatsächliche Anzahl der für die Präklinik verwertbaren Studien ist verschwindend gering (Nur drei Untersuchungen werden dabei in den neueren Guidelines und Reviews berücksichtigt). [7][8] Während für die Wirkung der meisten intravenös und oral verabreichten Medikamente beim Myokardinfarkt schon gute Studienlagen vorhanden sind, findet sich bei Fragen um die Verwendung von Sauerstoff ein großes Defizit.

Die Diskussion um die Gabe von Sauerstoff beim Myokardinfarkt fand indes schon von 1950-1980 statt. Damals wurden vor allem Tierstudien publiziert. Deren Empfehlungen waren allerdings sehr unterschiedlicher Natur.[9][10][11][12][13][14][15][16]

 

Literaturanmerkungen zum Einstieg in die Thematik:

Für eine umfassende historische Darstellung der Studienlage empfiehlt sich der Artikel Beasley et al.: “Oxygen therapy in myocardial infarction: an historical perspective” (freies PDF) [17] und das Editorial “Oxygen therapy in acute myocardial infarction – too much of a good thing?” (kostenloser Zugriff)[18]

Als aktueller Einstieg in die Grundthematik empfiehlt sich das Editorial “Is hyperoxic ventilation important to treat acute coronary syndromes such as myocardial infarction?” (weblink) [19], sowie das deutsche Editorial ”‘Dosis facit venenum’: Sauerstofftherapie in der Anästhesie und Intensivmedizin” (Ganzer Artikel bei SpringerLink).[20]

 

Anmerkung:

Wenn im folgenden von “Hyperoxie” die Rede ist, dann wird darunter die Übersättigung der Einatemluft mit Sauerstoff im Allgemeinen verstanden (FiO2 > 0,21). Andere, in der entsprechenden Literatur oft auch angetroffenen Definitionen der Hyperoxie / Hyperoxämie von FiO2 = 1,0 oder pO2 > 100 mg / dl sind damit nicht gemeint. Teilweise werden in den zitierten Studien aber andere Grenzen verwendet.

Darstellung des Themas und der verwendeten Literatur:

In dieser Bestandsaufnahme soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die standardmäßige präklinische Gabe beim akuten Myokardinfarkt von Sauerstoff noch wissenschaftlich vertretbar ist.

Explizit ausgeklammert wird dabei die hyperbare Verabreichung von Sauerstoff. Im folgenden soll es nur um die präklinische Gabe von Sauerstoff gehen in den normalen, in der Präklinik verbreiteten Darreichungsformen über Sauerstoffmaske und -brille.

Die aktuellen Guidelines der EHC und AHA, auf die im weiteren näher eingegangen wird, wurden betrachtet und die den Empfehlungen zugrunde liegenden Artikel und Studien dabei näher beleuchtet. Danach wird auf

die Veränderungen zwischen den Leitlinien der Jahren 2005 und 2010 eingegangen.
Ergänzend sollen auf die möglichen negativen Auswirkungen der Sauerstoffgabe beim Myokardinfarkt eingegangen werden, die momentan diskutiert werden und ein Blick auf aktuelle Studien aus der Thematik geworfen werden.
Dafür wurde in den üblichen Suchmaschinen (Pubmed, Cochrane und Sciencedirect) nach entsprechender Literatur zu diesem Thema gesucht. Die Ergebnisse fließen in diese Darstellung mit ein.

 

Betrachtung der Guidelines und der Veränderungen zwischen 2005 und 2010:

ERC 2005:

In den Guidelines 2005 von ERC und AHA wurden noch folgende Empfehlungen gegeben:
“Sauerstoff (4–8 l/min) sollte bei allen Patienten mit einer arteriellen Sauerstoffsättigung <90% und/oder Lungenstauung gegeben werden. Obwohl ein Beweis für den Langzeitnutzen der Sauerstoffgabe nicht vorliegt, sollten auch Patienten mit unkompliziertem STEMI Sauerstoff erhalten. Zumindest werden Patienten mit unerkannter Hypoxie Nutzen davon haben.”[21]

Den Empfehlungen liegt eine Studie[22] zugrunde, die 1976 durchgeführt wurde und die bis heute Dreh- und Angelpunkt fast aller veröffentlichten Guidelines über die Sauerstoffgabe beim akuten Myokardinfarkt ist. Da sie die umfangreichste Studie zu dieser Thematik bis heute darstellt hat sie besondere Begutachtung verdient.

Es wurden 200 Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt untersucht, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe erhielt 6 Liter Sauerstoff über eine Inhalationsmaske. Eine Kontrollgruppe 6 Liter komprimierte Umgebungsluft über eine Inhalationsmaske.

Statistisch signifikante Abweichungen in der Sauerstoffgruppe waren eine erhöhte Aspartat-Aminotransferase (Tritt unter anderem beim Absterben von Herzmuskelzellen auf) Konzentration im Blut und ein häufigeres Auftreten von Sinustachykardien.

In der Sauerstoffgruppe kam es bei 9 von 80 (11,3 %) Patienten zu Todesfällen (2 davon unter Sauerstoffgabe durch Maske), in der Kontrollgruppe zu 3 von 77 (3,9 %) (1 davon unter Luftzufuhr durch

Maske). Das relative Letalitätsrisiko in der Sauerstoffgruppe lag dadurch bei 2.9 (95% CI 0.81–10.3; p=0.08). Zu beachten ist allerdings, dass dieses Ergebnis durch die geringe Patientenanzahl auch zufälliger Natur sein kann.

Die Autoren der Studie konnten keinen Nutzen der Sauerstoffgabe bei Patienten mit unkomplizierten Infarktgeschehen finden und rieten deshalb von einer generellen Gabe von Sauerstoff beim

Myokardinfarkt ab. Gleichzeitig sollte aber Patienten mit „offensichtlicher Hypoxie, wie beim Vorliegen von schwerer Linksherzinsuffizienz […] Sauerstoff nicht vorenthalten werden.”[22]

Bei der Bewertung der Studie sollte dabei aber berücksichtigt sein, dass zu dieser Zeit ganz andere Reperfussionsstrategien beim Myokardinarkt angewendet wurden. Zu dieser Zeit standen Techniken wie die PCI oder Thrombolyse nicht zur Verfügung standen. Weiterhin standen auch heute verbreitete diagnostische Methoden wie die Pulsoxymetrie noch nicht zur Verfügung. Dazu unterschied sich auch die medikamentöse Therapie vom heutigen Standard.

Zur weiteren Bewertung der Studie empfiehlt sich unter anderem der Artikel:

“Oxygen therapy – use and abuse in acute myocardial infarction patients.”[23]

AHA 2005:

Die AHA sagte in Ihren Leitlinien 2005 aus: “EMS providers may administer oxygen to all patients. If the patient is hypoxemic, providers should titrate therapy based on monitoring of oxyhemoglobin saturation”[24]

Die Quellenangaben zu den AHA Leitlinien 2005 beziehen sich neben der oben genannten Studie auf folgende Quellen:

Tierstudien, bei denen bei Untersuchungen am Hundeherz festgestellt wurde, dass die Gabe

  • von 40 % Sauerstoff, bei durch künstlichen Verschluss der Koronararterien ausgelösten Myokardinfarkt das Ischämiegebiet am Herzen verkleinert, während Hypoxie den Schaden am Herz vergrößerte.[9][25]
  • Eine Tierstudie die die Gabe von 100 % Sauerstoff bei Hunden mit künstlich herbeigeführten Myokardinfarkt untersuchte und eine Zunahme des Infarktgebiets durch Sauerstoffgabe feststellte und vermutete, dass als Auslöser eine mögliche Verringerung der Durchblutung im Ischämiegebiet in Frage käme.[11] Eine im ähnlichen Umfeld durchgeführte Studie bestätigte diese Vermutung.[12]
  • Eine andere Studie, die den künstlichen Verschluss von Arterien am Hundeherzen untersuchte ergab, dass es Grenzbereiche im Ischämiegebiet gibt, die schlecht mit Sauerstoff versorgt sind und bei denen die Beatmung mit 100 % Sauerstoff die Oxygenierung verbessert. [26] Eine im Vorfeld durchgeführte Studie zeigte auf, dass die Messung mittels Elektroden wie in dieser Studie vorgenommen, Rückschlüsse auf die Oxygenierung geben kann.[13]
  • Studien am Kaninchenherzen, die zeigten dass der pO2 eine von anderen Faktoren unabhängige Wirkung auf die arterielle Durchblutung haben könnte[14] und dass die Reperfusion von Koronararterien unter Hyperoxie das Ischämiegebiet nicht vergrößert[27]
  • Eine Studie aus Untersuchungen am Hundeherzen, die die Reperfussion unter Beatmung mit 100% Sauerstoff untersuchte und eine Verringerung des Ischämiegebiets im Vergleich zur Reperfussion unter Raumluft feststellte. Die Folgerung war, dass Patienten die eine Reperfussionstherapie bekommen auch von hohen O2 Gaben profitieren könnten.[16]
  • Eine Studie bei Menschen, die demonstrierte, dass bei der Behandlung der koronaren Herzkrankheit die Gabe von 100% Sauerstoff zu einem erhöhten peripheren Widerstand führte und bei schwerer KHK keine Abnahme der linksventrikulären Belastung erfolgte. Dagegen wurden die arterielle Sauerstoffsättigung und auch die Sättigungsdifferenz durch die Sauerstoffgabe signifikant erhöht. Bei Patienten mit schwerer KHK wurden während der Sauerstoffgabe erhöhte Laktatwerte gemessen, beziehungsweise bereits erhöhte Laktatwerte noch verstärkt. [10]
  • Eine Studie in der 17 Patienten mit STEMI über 66 Minuten 100 % O2 (mehr als 15 Liter O2 pro Minute über Maske) verabreicht und dabei eine Senkung der ST-Streckenhebung während der
    Applikation von Sauerstoff festgestellt wurde, während die Vitalwerte Blutdruck und Puls unverändert blieben. Nach dem Ende der Sauerstoffgabe ging die ST-Streckenhebung wieder auf das Ursprungsniveau zurück.[28]
    Kommentierung: Es gab leider keine Kontrollgruppe für diese Untersuchung und die
    Teilnehmerzahl in der Studie war sehr gering.
  • Eine weitere Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass hochkonzentrierte (90 %) Sauerstoffgabe bei Patienten mit akuten Myokardinfarkt das Herzminutenvolumen, das Schlagvolumen, den Blutdruck und den Gefäßwiderstand absenkt, die arterielle Sauerstoffsättigung erhöht und erhöhte Blutlaktatwerte reduziert.[29]
    Kommentierung: Es gab leider keine Kontrollgruppe für diese Untersuchung und die
    Teilnehmerzahl in der Studie war sehr gering.
  • Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass Sauerstoffgabe bei Patienten mit durch Pacing-induzierter Myokardischämie dazu führt, dass diese verglichen mit Patienten die Raumluft atmeten, eine höhere Ischämietoleranz hatten.[30]
    Kommentierung: In einer weiteren Studie wurde festgestellt, dass dieser positive Effekt der Sauerstoffgabe bei Belastungsinduzierter Angina Pectoris nicht nachweisbar ist
    [31]
  • Eine weitere Studie wurde aufgenommen, die feststellte, dass die Wahrscheinlichkeit und die Schwere des Auftretens von Hypoxie im Verlauf von einem Myokardinfarkt mit der Schwere des Infarkts in Verbindung steht und das mit zunehmender Schwere des Infarkts die Sauerstoffsättigung bei der Gabe von O² (FiO2 0.28) weniger stark erhöht wird.[32]

ERC 2010:

In den Leitlinien aus dem Jahr 2010 wurde nun folgende Empfehlung ausgesprochen:

“Die Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) durch Pulsoxymetrie ist geeignet, um den Bedarf an zusätzlichem Sauerstoff festzustellen. Patienten benötigen keinen zusätzlichen Sauerstoff, solange sie nicht hypoxämisch sind. Einige der vorliegenden Daten deuten daraufhin, dass eine Sauerstoffgabe in hoher Konzentration für Patienten mit unkompliziertem Myokardinfarkt schädlich sein könnte. Der Zielwert der

SaO2 soll 94–98% sein bzw. 88–92%, wenn das Risiko der Atemdepression mit CO2-Retention besteht.”[1]

Die Änderung der 2010er Guidelines stützte sich neben der wieder aufgeführten Studie aus dem Jahr 1976 auf folgende zusätzliche Quellen:

  • Einem Studienreview aus dem Jahr 2009[7], in das allerdings nur 2 Studien aufgenommen wurden. Zum einem die bereits bekannte Studie aus dem Jahr 1976[22]. Zum anderen die Patientengruppe einer Studie, die die
    Rolle der Pulsoxymetrie beim akuten Myokardinfarkt während der ersten 24 Stunden der Akuttherapie untersuchte[33].Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, die Sauerstoff erhielten und denen die keinen Sauerstoff erhielten. Allerdings war die Patientenanzahl niedrig (Es wurden nur 42 Patienten untersucht), weiterhin fand diese Studie zu einer Zeit statt, in der die Thrombolyse die bevorzugte Behandlungsoption war, während diePCI noch nicht durchgeführt wurde.
    Hypoxie trat bei Patienten, die keinen Sauerstoff erhielten signifikant öfter auf. Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass die Sauerstoffgabe sich nach der Pulsoxymetrie zu richten hat.
  • In einem Cochrane Review[8], das 3 Studien aufnahm, wurden die Ergebnisse von zwei Gruppen mit akutem Myokardinfarkt, mit und ohne Sauerstoffgabe analysiert und diese bezüglich Mortalität und Schmerzintensität verglichen. Neben den oben genannten Studien aus den Jahren 1976[22]und 1997[33] wurde noch eine Studie aus dem Jahr 2005 berücksichtigt.[4][5] Insgesamt wurden damit in dem Review 387 Patienten berücksichtigt. Für das Merkmal der Mortalitätsrate kamen nach Abzug der Studie von 1997[33] (Der eine Todesfall, der in dieser berichtet wurde konnte keiner Gruppe zugeordnet werden) noch 294 Patienten mit akuten Myokardinfarkt in Frage. Von diesen verstarben 14 Patienten insgesamt. Davon in der Gruppe, die Sauerstoff erhielt dreifach so viele wie in der Kontrollgruppe. Aufgrund der geringen Gesamtteilnehmerzahl kann dieses Verhältnis allerdings auch zufällig entstanden sein.
    Die Schmerzintensität wurde anhand der Menge der gegebenen Analgetika verglichen, die sich in beiden Gruppen nicht signifikant unterschied.[8]
  • Ebenfalls aufgeführt wurde auch die Guideline der British Toracic Society aus dem Jahr 2008 zum notfallmäßigen Gebrauch von Sauerstoff bei erwachsenen Patienten, die sich größtenteils auf Klasse D Empfehlungen beruft. Die Empfehlungen sind mit denen der ERC nahezu identisch.[34]

AHA 2010:

Im Jahr 2010 veränderte die AHA die Leitlinie zur Sauerstoffgabe zu diesen Absätzen: “Oxygen should be administered to patients with breathlessness, signs of heart failure, shock, or an arterial oxyhemoglobin saturation <94% (Class I, LOE C). Noninvasive monitoring of blood oxygen saturation can be useful to decide on the need for oxygen administration.

In the absence of compelling evidence for established benefit in uncomplicated cases, ACC/AHA Guidelines have noted that there appeared to be little justification for continuing routine oxygen use beyond 6 hours. There is insufficient evidence to recommend the routine usage of oxygen therapy in patients suffering from an uncomplicated AMI or an ACS without signs of hypoxemia or heart failure. Supplementary oxygen has been shown to limit ischemic myocardial injury in animals, but evidence of benefit from supplementary oxygen from human trials is limited. A case study found improvement in ST changes with the use of oxygen in humans. Others suggested harm with high-flow oxygen administration.”[35]

Die American College of Cardiology (ACC) Guidelines beziehen sich auf Handlungsempfehlungen der AHA/ACC aus dem Jahr 2004 zur Behandlung von STEMI. Dabei wurden eine Klasse 1 Empfehlung gegeben (“Supplemental oxygen should be administered to patients with arterial oxygen desaturation (SaO2 less than 90%). (Level of Evidence: B)”) und eine Klasse 2A Empfehlung (It is reasonable to administer supplemental oxygen to all patients with uncomplicated STEMI during the first 6 hours. (Level of Evidence: C)”)[36]

Die aufgeführten Ergebnisse aus den Tierstudien beziehen sich auf die bereits bekannten, oben erwähnten Studien, die auch in den Guidelines 2005 zu finden waren.

Die Fallstudie, die eine Verbesserung der ST-Streckenhebung naheliegt kommt aus dem Jahr 1976 und wurde auch in den 2005er Guidelines bereits angesprochen (s.o.).[28]
Die Studien, die Schaden vermuten lassen, sind die beiden bereits bekannten Studien aus dem Jahr 1976[22] und 1997 [33].

Zusammenfassung der Änderungen in den Leitlinien zwischen 2005 und 2010:

Allgemein wurde in den 2010 Guidelines auch aufgeführt, dass die Gabe von Sauerstoff dem Patienten auch schaden könne. Das Vorliegen der beiden Reviews zur Studienlage hat mutmaßlich zur Entscheidung beigetragen, die Gabe von Sauerstoff einzuschränken.

Bei der ERC entfielen generelle Dosierungsvorgaben. Dafür wurde die Gabe von Sauerstoff an den Bedarf, der über die Pulsoxymetrie ermittelt wird, bestimmt.

Im Gegenzug wurde die Schwelle für die Sauerstoffgabe von unter 90 % (ERC 2005) auf 94 % – 98 % (ERC 2010) angepasst und dadurch auch eine Höchstgrenze eingeführt. Der Möglichkeit der Atemdepression mit CO2 Retention wurde ebenfalls mit unterschiedlichen Grenzwerten (88 % – 92 %) Rechnung getragen.[21][1]

Die AHA Guidelines sind im Aufschlüsseln des aktuellen Wissenschaftlichen Stands deutlich umfassender als die ERC Guidelines. Überhaupt erstaunt, dass sich beide Organisationen auf teilweise unterschiedliche Quellen berufen.

Von einer generellen Empfehlung zur Gabe von Sauerstoff (AHA 2005) wurde die Leitlinie weiterentwickelt zu einer Empfehlung, Sauerstoff nur bei komplizierten Verläufen zu verabreichen, sowie bei einer arteriellen Sauerstoffsättigung unter 94 % (AHA 2010). Dabei wurden einige Quellen entfernt, die in der Ausgabe 2005 noch die Gabe von Sauerstoff zu rechtfertigen schienen. Leider gibt es keine Informationen darüber, warum diese Quellen nicht mehr mit aufgezählt wurden. [24][35]

National Institute of clinical Excellence (NICE) 2010

Auch die britische Gesundheitsbehörde hat in ihrem Organ, dem National Institute of clinical Excellence (NICE) wiederholt vor der routinemäßigen Gabe von Sauerstoff gewarnt[37]. Darin heißt es unter Punkt 1.2.3.3, dass idealerweise die Sauerstoffsättigung des Patienten in der Präklinik überwacht werden sollte, aber eine Sauerstoffgabe nicht routinemäßig erfolgen sollte. Dieses sollte nur dann geschehen, wenn:

  • die Patienten eine Sättigung von unter 94% haben und nicht Gefahr laufen, eine CO²-Narkose zu entwickeln, wobei eine Sättigung von 94- 98% abgestrebt werden sollte
  • Patienten mit einer COPD, die Gefahr laufen, eine CO²-Narkose zu entwickeln. Diese sind bei einer Sättigung  von 88 – 92 % zu halten, bis eine Blutgasanalyse möglich ist.

Also wird auch hier deutlich von einer routinemäßigen Gabe abgeraten.

 

Die möglichen negativen Auswirkungen von Sauerstoffgabe beim akuten Myokardinfarkt:

Freie Sauerstoffradikale:

Als wichtigster Erklärungsansatz für Gewebsschäden durch Hyperoxie gilt heutzutage die Freie Sauerstoffradikaltheorie. Sauerstoff (O2) ist ein sehr reaktionsfreudiges Molekül. Im Normalzustand tritt zum Beispiel das Sauerstoffradikal O2- während der Energiegewinnung der Zelle auf und ist für den Zellstoffwechsel erforderlich. In Grenzen kann der Körper die Anzahl an Radikalen mit anderen Molekülen (Radikalfängern) kontrollieren.

Da ein Überangebot von Sauerstoff im Blut aber von den mit Sauerstoff schon zu 96% gesättigten Erythrozyten nicht mehr aufgenommen werden kann, wird ein großer Anteil des Sauerstoffs im Blutplasma physikalisch gelöst und der Sauerstoffpartialdruck steigt stark an. Dadurch kommen Sauerstoffradikale deutlich öfter vor und die normalen Kompensationsmechanismen der Zellen sind nicht mehr ausreichend, um die Anzahl an Sauerstoffradikalen zu kontrollieren.

Diese “Freien Radikale” können nun ihre negative Ladung an andere Moleküle weitergeben und damit eine Kettenreaktion auslösen, die massive Zellschäden anrichten kann, die bis zum Zelltod führen können.[38][39]

Das Cochrane Review aus dem Jahr 2010 nennt folgende mögliche pathologische Effekte von Sauerstoff[8]:

  • Sauerstoff steht im Verdacht den Koronaren Blutfluss zu senken und den Koronaren Gefäßwiederstand zu erhöhen.[40][41]
  • Hochprozentige Sauerstoffgaben führen zu vermindertem Herzauswurf und Herzzeitvolumen[42]
  • Hyperoxämie kann zum Auftreten von erhöhtem Gefäßwiederstand und zu Reperfussionsschäden durch Sauerstoffradikale führen[43]

Im Jahr 2002 wurden im Artikel “Oxygen therapy in acute medical care. The potential dangers of hyperoxia need to be recognised” weitere negative Auswirkungen der Sauerstoffgabe besprochen.[44]

  • In einem Tierversuch wurde festgestellt, dass die durch die Beatmung mit 100 % Sauerstoff resultierende Hyperoxämie beim Verschluss von Arterien im Myokard die Durchblutung der betroffenen Regionen weiter verschlechtert.[12]
  • Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass bei Hyperoxie die Blutversorgung der Koronararterien vermindert wird.[14]
  • Ein Erklärungsansatz der geboten wird ist, dass das Überangebot von Sauerstoff die Sauerstofftransportkapazität des Bluts nur wenig verändert, aber gleichzeitig reflektorisch zu Gefäßverengung der glatten Gefäßmuskulatur führt.[45]
  • Zusätzlich wird angeführt, dass Sauerstoff Lungenschäden durch Atelektasebildung und Entzündungprozesse hervorruft. Ein Überangebot kann weiterhin zu einer respiratorischen Azidose führen.[46]

Im Artikel von J. Meier „Rationaler Einsatz von Sauerstoff in Anästhesie und Intensivmedizin”[47] werden folgende pathologische Wirkungen von Sauerstoffgabe aufgeführt:

  • Zuerst werden drei bekannte Nebenwirkungen von Sauerstoff aufgezählt, die allerdings für das betrachtete Umfeld eine geringe Rolle spielen sollten. Zum einem der sog. Paul-Bert-Effekt, der vor allem bei der hyperbaren Beatmung mit Sauerstoff zu Schäden an den Neuronen führt. Ein durch hohe inspiratorische O2 Konzentrationen ausgelöster Angriff auf das Alveolarepithel der Lunge, die zur Alveolitis führen kann (sog. Lorrain-Smith-Effekt) und zuletzt die Retinopathie, die vor allem bei Neu- und Frühgeborenen auftritt.
  • Als Hauptfaktor der negativen Effekte der Sauerstoffgabe beim Myokardinfarkt wird eine durch einen hohen FIO2 ausgelöste arterioläre Konstriktion vermutet.[48][49][50]

 

Der Artikel von Raman Moradkhan, et al. ”Revisiting the Role of Oxygen Therapy in Cardiac Patients”[51]führt mehrere mögliche Gründe für die durch ein Überangebot an Sauerstoff ausgelöste Vasokonstriktion an:

  • Hyperoxämie könnte zum vermehrten Auftreten von Radikalen führen, die die Stickstoffmonoxid Konzentration im Blut beeinflussen und so als Vasokonstriktor fungieren.[52], direkte Beeinflussung von K+ATP Kanälen[53][54], direkte Beeinflussung von Ca2+ Kanälen [45], vermehrte Ausschüttung von Angiotensin I [55], vermehrte Produktion des Vasokonstruktors 20-HETE [56]
  • Als weiterer schädlicher Effekt könnte die durch Hyperoxie ausgelöste Fehlverteilung des Bluts (Shunting) in einigen Organen eine Rolle spielen. Obwohl die Sauerstoffsättigung insgesamt im Blut ansteigt.[57][58][59]

 

Neuere und derzeit durchgeführte Studien über die Sauerstoffgabe beim Myokardinfarkt:

Da die Studien, auf die sich derzeit hauptsächlich berufen wird (Rawles 1976[22] und Wilson 1997[33]) noch vor dem Einsatz von modernen Revaskularisierungsverfahren durchgeführt wurden, sind aktuellere und vor allem in größerem Maßstab durchgeführte Studien wichtig, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Daher wird derzeit diese Thematik durch mehrere parallel laufende Studien untersucht. Neben der Todesfallrate in den Gruppen von nicht-hypoxämischen Patienten, die Sauerstoff erhalten oder Raumluft atmen bzw. nach den derzeit gängigen Leitlinien mit Sauerstoff behandelt wurden, vergleichen diese dabei auch Blutwerte, die einen Rückschluss auf die Infarktgröße geben können, wie Troponin-T und CK. Zudem wird die jeweilige Infarktgröße auch direkt durch eine MRI-Untersuchung bzw. über denWandbewegungsindex per Thransthorakaler Echokardiographie gemessen und verglichen.

Zwei der momentan durchgeführten Studien veröffentlichten bereits vorläufige Ergebnisse in Pilotstudien. Aufgrund der geringen Patientenzahlen (136 Patienten in OPTIMISE, 15 Patienten in SOCCER) sind diese Ergebnisse aber noch nicht aussagekräftig[2][3].

In beiden Pilotstudien wurden dabei keine statistisch signifikanten Unterschiede in den Gruppen festgestellt. Allerdings zeigten die vorläufigen Ergebnisse ähnlich wie in einer 2005 durchgeführten Studie von Ukholkina[4][5] erhöhte Troponin-T Werte und größere betroffene Infarktgebiete in der Kontrollgruppe im Vergleich zu Patienten die generell Sauerstoff erhielten. In den beiden neueren Studien waren diese aufgrund der geringen Patientenzahlen allerdings nicht statistisch signifikant. Die Studie von Ukholkina aus dem Jahr 2005 wird zudem wegen diverser Einschränkungen, die die Ergebnisse verfälscht haben könnten, kritisiert. So dauerte es in der Sauerstoffgruppe im Schnitt 41 Minuten weniger bis zur Revaskularisierung, eine effektive Verblindung fand nicht statt und die Zeitpunkte der Messwerteerhebung waren teilweise unklar[8]. Auch die gerade durchgeführten Studien unterliegen Limitierungen, die die Aussagekraft einschränken könnten[2][3].

Zusammenfassung über die Gabe von Sauerstoff beim Herzinfarkt:

Es fällt auf, dass die Anzahl an verwertbaren Studien und Patienten für dieses Merkmal sehr klein ist. Dreh- und Angelpunkt scheint eine Studie aus dem Jahr 1976 [22] zu sein. Insgesamt lehnt die heute zur Verfügung stehende Fachliteratur die generelle Gabe von Sauerstoff beim akuten Myokardinfarkt allerdings ab. Ein Hauptproblem in früheren Studien war den Bedarf an Sauerstoff, den die Patienten benötigten festzustellen. Klar ist, dass bei Myokardinfarktpatienten oft Hypoxämiephasen auftreten. Wie gezeigt worden ist, ist die Erkennung von diesen mithilfe der im Rettungsdienst flächendeckend eingesetzten Pulsoxymetrie inzwischen aber möglich[33]. Deswegen werden generelle Empfehlungen zur Sauerstoffgabe aufgrund der möglichen pathologischen Effekte inzwischen nicht mehr gegeben. Trotz der Verbreitung der generellen präklinischen Gabe sollte dies derzeit nicht mehr durchgeführt werden.

Die Fachliteratur ist sich über die pathologischen Effekte der Hyperoxie allerdings noch nicht abschließend einig. Neben der Wirkung Freier Radikaler wird auch eine Arterioläre Konstriktion im Bereich der Koronararterien vermutet.

Drei größer angelegte Studien zu dieser Thematik befinden sich derzeit in Arbeit[60][61][2][3]. Die Veröffentlichung von Ergebnissen zweier Pilotstudien zeigte in kleinen Patientenpopulationen keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Mortalitätsrate und eine statistisch nicht signifikante Verringerung von Infarktmarkern in Patienten die Sauerstoff erhielten. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch in einer 2005 publizierten Studie[4][5].

Bis endgültige Ergebnisse vorliegen, sind in den aktuellen ERC Guidelines auch die Risiken der Sauerstofftherapie berücksichtigt. Sauerstoff steht dabei unverändert im Verdacht, unkomplizierte Infarktgeschehen zu verschlechtern und eventuell sogar zu einer höheren Letalitätsrate zu führen.

Aus der Literatur geht nicht hervor, ob in der prähospitalen Notfallversorgung eventuell andere Faktoren die Sauerstoffgabe beeinflussen als in der klinischen Versorgung. Derzeitige Leitlinien richten sich auch an die rettungsdienstliche Versorgung.

Eine intensive Betrachtung der prähospitalen Versorgung wäre allerdings wünschenswert, da diese unter anderen Bedingungen und Belastungen für den Patienten stattfindet, als im klinischen Umfeld und die Behandlungszeit im Rettungsdienst auch deutlich kürzer ist. Gleichzeitig ist aber anzumerken, dass viele Eigenheiten der Präklinischen Versorgung die Durchführung einer randomisierten, doppelblinden Studie bezogen auf die Gabe von Sauerstoff bei ACS Patienten nahezu unmöglich werden lassen.

 

Wie immer freuen wir uns über Anregungen und Kommentare und bitten zu beachten:

Obwohl wir die Informationen nach bestem Wissen versuchen zu überprüfen, sollten diese nicht als Handlungsempfehlung, sondern als Diskussionsbeitrag zu rettungsdienstlichen Themen gesehen werden. Im schlimmsten Falle können Beiträge gesundheitsgefährdende Empfehlungen enthalten. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. Nehmen Sie Medikamente nicht ohne Absprache mit einem Arzt oder Apotheker ein.

Einzelnachweise:

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    Anmerkung: Nur die vorgelegten Zahlen konnten ausgewertet werden 
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Grundlagen:

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Weitere Quellen:

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  • HA Saltzman, ”Efficacy of Oxygen Enriched Gas Mixtures in the Treatment of Acute Myocardial Infarction”, Circulation 1975, 52:357-359
  •  Pr Marko et al.,”Reduction of infarct size by oxygen inhalation following acute coronary occlusion”, Circulation, Vol 52, 360-368, 1975
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Berücksichtigte Ausbildungsliteratur:

  • Runggaldier, Luxem, Kühn; “Rettungsdienst Heute”, Urban & Fischer Verlag 2010; ISBN-10: 3-437-46193-1
  • K. Enke, A. Flemming, H.-P. Hündorf, P. Knacke, R. Lipp, P. Rupp
    (Hrsg.); “LPN 1 – Grundlagen und Techniken”, Stumpf + Kossendey 2009;
  • K. Enke, A. Flemming, H.-P. Hündorf, P. Knacke, R. Lipp, P. Rupp
    (Hrsg.); “LPN 2 – Schwerpunkt Innere Medizin”, Stumpf + Kossendey 2009;